Tãne Mahuta und Neuseelands letzte Urwaldgiganten
Posted from Waipu, Northland, New Zealand.
Unser Weg Richtung Norden führte uns entlang der malerischen Küstenstraße der Coromandel Halbinsel. Während im Landesinneren überwiegend subtropische Regenwälder dominieren, sind die sanften Hügel an der Küste oftmals als Weideflächen kultiviert. Da die Kinder kurvenreiche Strecken nicht so gut vertragen, haben wir uns für einen vermeintlich gut ausgebauten Highway entschieden. Zunächst entsprachen die Straßenverhältnisse unseren Erwartungen, ehe sich die Straße unvermittelt in eine Schotterpiste verwandelte.
Anfangs dachten wir noch, wir wären falsch abgebogen oder Belagsarbeiten wären im gange. Doch nichts dergleichen. Neuseeland hat lediglich 4,5 Millionen Einwohner. In Anbetracht der Größe ist es dann auch nicht verwunderlich, dass manche Highways in diesem spärlich besiedelten Flecken Erde eher rustikaler Natur sind. Das zeigt sich dann auch bei einigen Brücken, die in abgelegenen Gegenden lediglich einspurig sind.
Nach einigen Kilometern wurde unsere Fahrt dann jäh unterbrochen. Sehr zur Freude der Kinder blockierte eine Horde freilaufender Schweine die Fahrbahn. Götz stieg aus dem Wagen und suchte an einem kleinen Farmhaus am Straßenrand nach einem offenen Gatter. Doch offenbar werden die borstigen Vierbeiner von ihrem Besitzer mit viel Gottvertrauen gehalten…es gab kein Gatter! So machte eine Schweinehorde einen Highway zum Saustall.
Wenig später gelangten wir wieder auf einen asphaltierten Straßenabschnitt und fuhren an der Westküste der Coromandel Halbinsel wieder ein Stück nach Süden. An klaren Tagen reicht hier der Blick über die Hauraki Bay bis zur Millionenmetropole Auckland. Wir erlagen aber auch bei bedecktem Himmel dem Zauber der Landschaft.
Über Auckland – Neuseelands größte Stadt – sollte unsere Reise um die Welt weitergehen, aber noch war es nicht so weit. Zunächst fuhren wir in weitem Bogen um diesen Schmelztiegel der Kulturen herum, weiter nach Norden zur Waipu Cove. Auf einem Campingplatz direkt am Meer verbrachten wir die nächsten Tage. Wir mieteten uns eine kleine Hütte ohne Extras…leider gehörte zu den „Extras“ auch Bettwäsche, Kissen und Decken! Da die Zusatzkosten für 5x Bettwäsche die Miete der Hütte übertraf, prüften wir den Inhalt unserer Rücksäcke und versuchten, mit Handtüchern und dünnen Baumwoll-Schlafsäcken zu improvisieren. Unsere Ausrüstung reichte aber beim besten Willen nicht aus. Kerstin machte sich also nochmal auf den Weg zur Rezeption und bat um zusätzliche Bettwäsche. Mit einem wissenden Lächeln übergab man ihr einen Satz Bettwäsche. Offenbar sahen wir so bedürftig aus, dass uns keine zusätzlichen Kosten berechnet wurden. Sehr freundlich, vielen Dank!
Nur eine Düne entfernt rollten die Wellen unablässig Richtung Strand. Das seichte Wasser (ohne Felsen), der saubere Strand und tolle Wellen lockten zahlreiche Surfer nach Waipu Cove. So konnten wir beim Baden eine Surf-Schule beim Unterricht beobachten. Elisa und Götz übten sich derweil im „Wellenhüpfen“. Für Elisa waren Wellen nach wie vor unheimlich und so sprang sie lieber an der Hand von Götz über die Wellenberge hinweg. Lilli war da schon deutlich mutiger uns stürzte sich in die Fluten. Unterdessen konnten Kerstin und Amelie dem kühlen Wasser bei herbstlichen Temperaturen wenig abgewinnen.
Neben Badespaß im Pazifik konnte auch die uns umgebende Landschaft mit einem besonderen Schatz aufwarten. Im nahegelegenen Waipoua Forest an der Westküste trafen wir auf Tãne Mahuta – den „Gott des Waldes“. Dabei handelt es sich nicht um eine mystische Figur als vielmehr um den größten noch lebenden Kauri Baum. Da das Wurzelwerk nahe des Baumes sehr empfindlich ist, führte uns ein Steg bis an den Urwaldriesen. Bereits unterwegs säumten zahlreiche Kauris den Wegesrand. Selbst die vergleichsweise jungen Bäume ließen erahnen, wie beeindruckend Tãne Mahuta sein musste.
Nach kurzem Weg lichtete sich das Blattwerk und gab den Blick auf den „Gott des Waldes“ frei. Der hölzerne Gigant erhob sich auf eine Höhe von fast 52 Meter. Doch die Höhe des Baumes ließ sich nur schwer erfassen. Bedingt durch die Entfernung und die Perspektive wirken die Kinder noch immer recht groß…
…doch aus der Nähe betrachtet ist Tãne Mahuta geradezu unwirklich. Sein Alter wird auf etwa 2000 Jahre geschätzt. Der gewaltige Stamm hat einen Umfang von fast 14 Metern und bringt es auf satte 245 Kubikmeter Holz. Zusammen mit den Ästen, türmten sich mehr als Kubikmeter Holz vor uns auf. Damit kommt man auf alle Fälle durch einige kalte Winter. Auch ein Baumhaus mit Fahrstuhl wäre denkbar.
Um Tãne Mahuta zu schützen, durfte man nicht direkt an den Baum heran. Bei Yakas Kauri – Nummer 7 in der Liste der größten Kauri Bäume der Welt – konnten wir dann tatsächlich auf Tuchfühlung gehen und waren immer noch tief beeindruckt. Der „kleine“ Bruder von Tãne Mahuta brachte es immer noch auf 12,30 Meter Umfang und eine Höhe von 43 Meter. Baumschnitt mit einer Astschere brauchst du hier trotzdem nicht anfangen.
Einst waren Kauri Bäume in Neuseeland sehr weit verbreitet. Die Maoris nutzten das Holz in moderatem Umfang und im Einklang mit der Natur. Als dann die europäischen Siedler auf die Kauri Bäume aufmerksam wurden, begann die rüchsichtslose Plünderung der Wälder. Das Holz ließ sich leicht bearbeiten und war dennoch stabil. Es eignete sich hervorragend für den Schiffs- und Hausbau. Überdies war auch das Kauri Harz sehr begehrt. Die Maoris verwendeten das Harz als Kaugummi. Außerdem war es eine wichtige Zutat des schwarzen Farbpigments für die berühmten „Tã moko“-Tatoos der Maoris. Die Europäer fanden indes noch weitere Anwendungen für das Harz. So wurde daraus Firnis – eine Art transparenter Schutzlack – hergestellt, das Harz diente als Basis für Linoleum, Kleber für den Schiffsbau, Brennstoff für Fackeln und, und, und. Infolgedessen wurden in Neuseeland ganze Landstriche regelrecht durchgepflügt, um auch an Harzreste zu gelangen, die im Erdreich seit Äonen schlummerten. Ein unfassbarer Raubbau begann. Wo heute auf der Nordinsel unzählige Schafe weiden, dominierten dereinst riesige Waldgebiete.
Nur noch ein beklagenswerter Rest überlebte. Der gerade mal 25 Quadratkilometer große Waipoua Forest beherbergt 75 Prozent der noch existierenden Kauri Bäume. Heutzutage stehen die Kauri-Bäume unter Naturschutz und dürfen nur noch von den Maori zu rituellen Zwecken gefällt werden. Trotzdem sind wohl die Tage der Kauris gezählt. Eine bislang unheilbare Pilzinfektion breitet sich unter den Kauris aus und lässt das Wurzelwerk absterben. Wir sind froh, dass wir die urweltlichen Giganten noch in voller Pracht erleben durften.
Bevor wir unsere Rückreise nach Auckland antraten, machten wir noch einen Abstecher in das Hafenstädtchen Whangarei. Aber davon berichten wir nächstes Mal.
Bis bald…
Kommentare
Tãne Mahuta und Neuseelands letzte Urwaldgiganten — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>