Hot Water Beach – Im Bann der Gezeiten
Posted from Whitianga, Waikato, New Zealand.
Es war dunkel auf dem Parkplatz des „Albert Number Six Motels“ in Whitianga. Alles schlief bis auf eine paar tatendurstige Frühaufsteher aus Deutschland. Gegen fünf Uhr morgens verließen wir das Motel, bewaffnet mit Badesachen und Klappspaten (!). Unser Ziel war der Hot Water Beach, eine halbe Autostunde von Whitianga entfernt.
Die Sonne war noch hinter dem Horizont verborgen, als wir den verwaisten Parkplatz am Hot Water Beach erreichten. Auch der Strand war nahezu menschenleer. Wir nahmen unsere Spaten und liefen langsam den Strand entlang. Die Köpfe waren gesenkt und unsere Blicke wanderten über den sandigen Untergrund auf der Suche nach einem Hinweis, woher der Hot Water Beach seinen Namen hat. Unvermitttelt blieben wir stehen. Wir hatten unser Ziel erreicht, denn vor uns schien der Strand zu kochen…
An diesem schmalen Strandabschnitt erreichen zwei heiße Quellen die Oberfläche. In zwei Kilometern Tiefe liegen 170° heiße Gesteinsschichten, die das Grundwasser erhitzen und an die Oberfläche drücken. Hier ergießt es sich mit 20 l/min in den Pazifik. Anders als vermutet kocht das Wasser jedoch nicht. Es hat „nur“ noch eine Temperatur von 64°. Die sichtbaren Blasen rühren von im Wasser gelösten Kohlendioxid…heiße Quelle „con gas“.
Flugs nahmen wir unsere Spaten und begannen zu buddeln. Unser eigener „Jacuzzi“ sollte an den Gestaden des Pazifik entstehen, gespeist von heißem Wasser aus dem Schoß der Erde. Rasch enstand ein kleines Becken…
Okay, das erklärt zumindet die Spaten, aber warum zum Henker noch vor Sonnenaufgang?!?
Zugegebenerweise waren wir nicht die Ersten mit dieser Idee und dennoch fehlte weit und breit jede Spur von ausgedienten Spa-Becken. Die Erklärung ist ebenso einfach wie fatal: Die heißen Quellen kommen nur bei Ebbe zum Vorschein und die Flut verschlingt jeden noch so pompösen Pool.
Nach dem Gezeiten-Kalender war um 7:09 Uhr der Tiefststand der Ebbe erreicht. Alternativ hätte es noch die nächste Ebbe um 19:32 Uhr, pünktlich zum Sonnenuntergang gegeben. Wir hatten demnach die Wahl entweder früh aufzustehen und ein morgentliches Bad, mit ein paar wenigen Gleichgesinnten zu genießen oder uns am Abend mit unzähligen anderen Spa-Liebhabern, um die besten Plätze zu streiten.
Wir hatten uns für die vermeintlich entspanntere Variante am frühen Morgen entschieden. Obwohl bestens mit Gezeiten-Kalender und Spaten ausgestattet ließ die erhoffte Entspannung jedoch auf sich warten. Zunächst galt es, ein Becken auszuheben! Eifrig gruben wir mit vereinten Kräften und türmten einen ansehnlichen Schutzwall vor unserem Becken auf. Er sollte unseren Jacuzzi vor den ersten Vorboten der Flut bewahren. Unweit von uns legte sich eine andere Gruppe unglaublich ins Zeug und buddelte als würde deren Leben davon abhängen. Deren Schutzwall erreichte etwa eine Höhe von 60 Zentimetern. Wir empfanden das übertrieben und amüsierten uns ein wenig über das emsige Treiben. Doch das Lachen sollte uns noch vergehen, als eine große Welle unablässig den Strand heraufrollte und mit einem Schlag die Früchte unserer Arbeit zerstörte. Unser sogenannter „Schutzwalle“ machte seinem Namen keine Ehre…
…während bei unseren Nachbarn die Welle verhältnismäßig wenig Schaden angerichtet hat. Der Wind trug triumpfierenden Jubel trug zu uns herüber. Wir unternahmen noch einen weiteren Versuch. Allerdings erstickte die hereinkommende Flut und ein stürmischer Seegang jedes weitere Unterfangen bereits im Keim. Stattdessen widmeten wir uns dem Sonnenaufgang und vergruben die Füße im warmen Sand.
Bei unseren Nachbarn sah das ganz anders aus. Bis in die Haarspitzen motiviert machte sich der Trupp erneut ans Werk. Doch auch den emsigen Nachbarn sollte das Lachen noch im Hals stecken bleiben. Der Schutzwall wurde ausgebessert und wuchs mit jeder Schippe weiter in die Höhe, als erneut eine große Welle Anlauf nahm und mit einem Handstreich den Schutzwall niederriss. Lediglich eine kleine Vertiefung im Boden zeugte noch vom ehemals bejubelten Bollwerk. Ungläubig starrte die Gruppe auf den traurigen Rest ihres Jacuzzis…sie haben nicht einmal darin gebadet! Die Szenerie entlockte Götz ein Grinsen. Wer eben zuletzt lacht…
Die frische Luft und die Bewegung zeigten Wirkung. Langsam aber sicher bekamen wir Lust auf Frühstück. Doch dafür hatten wir uns ein lauschigeres Plätzchen ausgesucht. Wir sprangen ins Auto und fuhren wenige Kilometer weiter nach Norden zur „Cathedral Cove“. Vom Parkplatz führte uns ein verschlungener Pfad durch Riesenfarn bewachsenen Urwald hinab zum Strand.
Inmitten der bis zu 40 Meter aufragenden Klippen liegt die „Cathedral Cave“, eine Höhle oder besser ein imposanter Durchgang zu einer versteckten Bucht.
Hier ließen wir uns nieder und genossen unser mitgebrachtes Frühstück an einem der schönsten Strände Neuseelands: Der „Cathedral Cove“. Captain James Cook gab bei seiner ersten Südseereise diesem beschaulichen Flecken Erde seinen Namen. Eingebettet in die Steilküste ist die Cathedral Cove lediglich über die Cathedral Cave trockenen Fußes erreichbar.
Der dominierende Felsen ist eines der am häufigsten fotografierten Motive Neuseelands.
Leider konnten wir nicht allzulange bleiben, da die „Cathedral Cave“ mit zunehmendem Wasserstand mehr und mehr geflutet wurde. Auf dem Rückweg mussten wir bereits ein größeres Wellental abwarten, um halbwegs trocken (das Wasser ging immer noch bis an die Knie) in den hinteren Teil der Cathedral Cave – Richtung Ausgang – zu kommen. Dies gelang im ersten Anlauf Amelie, Elisa und Götz. Sie warteten geduldig auf die Nachzügler. Kurz darauf folgten Kerstin und Lilli. Doch die Beiden hatten weniger Glück. Beim hektischen Sprint in die Höhle verloren Lilli und Kerstin je ein T-Shirt, die sich mit der zurückziehenden Welle auf den Weg Richtung Ozean machten. Lilli watete eilig durchs Wasser und versuchte, ihr T-Shirt zu fangen. Unterdessen schnappte sich Amelie das andere T-Shirt und vergaß dabei ihre eigenen Flipflops, die sie neben sich auf den Boden gelegt hatte. Eine Welle erfasste das leichte Schuhwerk und trug es mit sich fort. Lilli, ohnehin schon durchnässt, sprang flink hinterher und rettete ihr T-Shirt und auch Amelies Schlappen. In Anbetracht des bevorstehenden Aufstiegs sicherlich eine gute Tat.
Auf dem Weg zurück ins Motel folgten wir nocheinmal Captain Cooks spuren. Cooks offizieller Auftrag und Grund für die Reise in die Südsee war die Beobachtung des Venustransits (vorbeiziehen der Venus vor der Sonne) am 3. Juni 1769 auf Tahiti. Dieses astronomische Ereignis wurde zeitgleich an verschiedenen Orten der Erde dokumentiert. Aus den gewonnen Daten konnten die Wissenschaftler die Entfernung von der Erde zur Sonne ermitteln und damit auch die Abstände aller anderen Planeten berechnen. Die Abweichung gegenüber heutigen Messungen betrug gerademal 0,125%!
Fünf Monate später ging der britische Entdecker unweit der Cathedral Cove erneut an Land, um das nächste astronomische Ereignis zu dokumentieren: Den Merkurtransit. Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnten die Daten des Venustransits gegengeprüft werden. Außerdem ließ sich damit der exakte Längengrad (174°45′ West) und so die Entfernung von Neuseeland nach England recht genau ermitteln.
Erstmals bekamen die Menschen ein Vorstellung davon, wie gewaltig die Sonne ist und gleichzeitig wie winzig klein unsere Erde ist. Die Bucht heißt deswegen auch heute noch „Mercury Bay“.
Wenig später setzten wir unsere Neuseelandrundreise fort. Weiter im Norden warteten gewaltige Kauri-Bäume und ein waschechter Surftstrand auf uns.
Bis bald…
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